BLAUES RAUSCHEN 2025 – zwischen Innovation und Reflexion in
elektronischer Musik und Medienkunst

Unter der künstlerischen Leitung von Karl-Heinz Blomann erforscht das Festival seit 2017 die Schnittstellen zwischen „Mensch und Maschine, Realität und Fiktion, Klang und Stille“. Es greift aktuelle Entwicklungen auf – von künstlicher Intelligenz über algorithmische Komposition bis hin zur Rückbesinnung auf analoge Klangwelten – und stellt Fragen nach Autorschaft, künstlerischer Freiheit und den Grenzen digitaler Kreativität. Mit seinem Live-Format lädt BLAUES RAUSCHEN das Publikum ein, abstrakte Kunst sinnlich zu erleben und sich mit ästhetischen Positionen auseinanderzusetzen.

Durch die Kunst die Köpfe öffnen

Das Festival wächst weiter – neue Kooperationen erweitern das Netzwerk und schaffen zusätzliche Spielorte. Die Programmauswahl spiegelt Spannungen zwischen technologischer Innovation und künstlerischer Reflexion: Performances erforschen das Zusammenspiel von menschlicher Kreativität und KI, hybride Installationen verschmelzen virtuelle und physische Räume, und Live-Coding-Konzerte machen Software zum Instrument. Gleichzeitig setzen improvisierte Klangwelten, experimentelle Instrumente und interaktive Formate auf antidigitale Sinnlichkeit. Das Festival wird ergänzt durch zwei Lecture Talks und einen Workshop.

BLAUES RAUSCHEN bleibt ein Ort des Experiments – ein Raum für Verschmelzung, Reibung und Reflexion. Ein Festival, das Besucher*innen anregt, die digitale Transformation nicht nur als Konsument*innen, sondern als Mitgestalter*innen zu erleben. Ein Ort, an dem Kunst nicht nur Abbild, sondern Möglichkeitsraum ist.

Zwischen Strom und Signal – Klänge im Wandel

Der Konzertabend im Essener Szene 10 eröffnet das Festival mit vier Acts, die sich mit dem spannenden Verhältnis von analoger und digitaler Klangerzeugung auseinandersetzen. Ihr Zusammenspiel gleicht einem Echo der Maschinen, in dem archaische Medien, elektronische Hardware und experimentelle Soundscapes aufeinandertreffen – ein Spannungsfeld, das die elektronische Musik seit ihren Anfängen prägt.

Das Wiener Duo Wechselstrom widmet sich der Medien-Archäologie und übersetzt Informationen aus antiquierten Medien wie Magnettonband oder Floppy Disc in experimentelle Kompositionen. Pamela Z webt aus ihrer eigenen und gesampelten Stimmen ein dichtes Klangnetz, das sie mit ihren Gesten ständig neu entwirrt und wieder verknüpft. Nadia Struiwigh schafft in Birds of Paradise Klanglandschaften, die durch hardware-getriebene elektronische Dance- und Ambientmusik die Einflüsse von Jungle, Elektro und Techno der 90er-Jahre aufgreifen. Hüma Utku entfaltet in Dracones eine narrative Dimension, in der eine klangliche Erzählung über Mutterschaft durch Buchla-Modularsynthese und Field-Recordings die Bühne mit intensiven, atmosphärischen Klängen füllt.

Duo Wechselstrom
Turing’s Ink

Das Wiener Duo Wechselstrom, bestehend aus Renate Pittroff und Christoph Theiler, lotet die Grenzbereiche von elektroakustischer Improvisation, Noise und minimalistischem Sounddesign aus. Ihre Musik ist eine hochverdichtete Auseinandersetzung mit Klang als physischer Erfahrung – oszillierend zwischen fragiler Stille und eruptiver Spannung. Mit einer radikalen Reduktion auf das Wesentliche schaffen sie Räume, in denen analoge und digitale Klänge in permanentem Austausch stehen. Zentral dabei ist ihr eigener Off-Space „galerie wechselstrom“, gleichermaßen Arbeitsraum als auch temporärer Ausstellungs- und Performanceraum. Neben Arbeiten für Theater und Hörspiel sind Wechselstrom in interdisziplinären Bereich an der Schnittstelle von Klanginstallation, Media Art und Social Sculpture aktiv.

In Turing’s Ink verwandeln Wechselstrom für das BLAUE RAUSCHEN Festival gespeicherte Daten hörbar und sichtbar. Festplatten, Magnettonbänder, Floppy Disks und Schallplatten werden ausgelesen und in Klang transformiert – vergangene Technologien erhalten eine neue Stimme. Durch Wasser wandernde Control Voltages modulieren Synthesizer und Software. Der performative Raum wird zum Labor, das Datenströme hörbar macht – eine Hommage an Alan Turing.

Pamela Z
Live

Oszillierend zwischen den Disziplinen: die Komponistin/Performerin und Medienkünstlerin Pamela Z arbeitet hauptsächlich mit Stimme, Live-Elektronik, gesampelten Klängen und Video.

Geboren in Buffalo, New York, und ansässig in San Francisco, Kalifornien, erweitert die Multi-Hyphenat-Künstlerin und Pionierin des Live-Loopings ständig die Grenzen ihres Handwerks. Ihre Soloarbeiten kombinieren experimentelle erweiterte Gesangstechniken, opernhaften Belcanto, gefundene Objekte, Texte, digitale Verarbeitung und drahtlose MIDI-Controller, mit denen sie Klänge durch körperliche Gesten manipulieren kann. Charakteristisches Merkmal von Zs kompositorischer Praxis ist die Verwendung verschiedener Verzögerungs- und Klangverarbeitungstechnologien. Auch bei BLAUES RAUSCHEN wird sie auf der Bühne mittels Computertechnologie und Max/MSP-Software Loops und Delays sowie andere Effekte und Texturen in Echtzeit erzeugen. Sie verwendet gestenbasierte MIDI-Controller wie den BodySynth, eine Reihe von Elektrodensensoren, die sie am Körper trägt und mit denen sie Klänge durch Muskelbewegungen und körperliche Gesten auslöst und manipuliert.

Neben Live-Performances in aller Welt hat sie Aufträge zur Komposition von Partituren für Tanz, Theater, Film und Kammerensembles. Viele ihrer Arbeiten enthalten Textcollagen aus selbst geführten Interviews.

Nadia Struiwigh
Birds Of Paradise

Das Programm Birds Of Paradise der niederländischen Produzentin Nadia Struiwigh verbindet auf persönliche Weise die verschiedenen Interessensfelder, denen sich Struiwigh in den letzten Jahren zugewandt hat. Das beim BLAUEN RAUSCHEN erstmalig in Deutschland live präsentierte Album zeigt uns eine Topographie der elektronischen Musik auf, deren Landmarken Electro, Techno, Ambient und Jungle sind. Auf dieser Oberfläche reflektiert sie, wie sich selbst größtmögliche Kontraste des Lebens immer bedingen – und eine kaum wahrnehmbare Balance einnehmen. Musikalische Reminiszenzen lassen sich vor allen Dingen Mitte der 90er-Jahre finden − das Feld der elektronischen Tanzmusik war noch nicht so klar abgesteckt, wie es heute oftmals scheint.

Nadia Struiwigh, Jahrgang 1989, lebt mittlerweile in Berlin, stammt aber ursprünglich aus der niederländischen Hafenstadt Rotterdam. Beide Orte stehen musikalisch für eine rohe, dunkle Verbundenheit zu technoiden Klängen. Dennoch lassen sich ihre Alben und EPs nicht auf ein Genre festlegen, sondern umfassen Ambient-, Electro- und Techno-Produktionen. 2024 gründete sie das Label Distorted Waves, das sich auf Hardware-zentrierte, eher experimentelle Werke konzentriert. Neben ihrer Residency im Berliner Tresor-Club, wo sie vor allem psychedelischen, fordernden Techno spielt, ist sie auch unter dem Namen IAMbient als Coach im Bereich „Healing Sounds“ aktiv.

Hüma Utku
Dracones

Psychologie spielt im Werk der in Istanbul geborenen und in Berlin lebenden Komponistin Hüma Utku eine gewichtige Rolle. Feldaufnahmen, akustische Instrumente, Buchla-Synthese und atmosphärische Elektronik verdichtet Utku zu nebligen, mikrotonalen Klangcollagen, die stets Narrativen über die menschliche Psyche nachgehen. Auch für BLAUES RAUSCHEN erforscht Utku, wie antike und aktuelle Klangtexturen, Signaturen und Rhythmen miteinander verwoben werden können. Mit Hilfe einer semi-transparenten Membran soll die Performance Dracones das inhärente Verhältnis von innen/außen, bzw. Mutter/(ungeborenes) Kind ausgelotet werden.

Die türkische Produzentin Hüma Utku veröffentlicht seit 2018 (damals noch unter dem Alias R.A.N.) Platten, die als experimentelle Soundpieces wie komplexe Dancefloorstücke verstanden werden können. Viele Tracks werden von einem charakteristischen Puls gespeist, der sich mal als Beat, dann wiederum als unterbewusst wahrgenommenes Pluckern manifestiert. Oft sind ihre Stücke − wie auf den Alben Gnosis und The Pychologist − von sinistren Sounds zwischen dräuender Gefahr und nächtlichen Versuchungen geprägt. Ihr komplexes Songwriting zeichnet sich außerdem durch eine Dialektik zwischen modernem (europäischen) Club-Sound und traditionellen, antiken Klangspuren aus dem ehemaligen Kulturraum Kleinasien aus.